Evi Steiner-Böhm
Selbstporträt 2015
Protokoll einer künstlerischen Zusammenarbeit in Wort und Bild 1999 – 2019
Roswitha Braun-Sauerstein
Selbstporträt 2015
Die beiden Künstlerinnen Evi Steiner-Böhm aus der ehemaligen BRD und Roswitha Braun-Sauerstein aus der ehemaligen DDR führten, ursprünglich auf den Zeitraum vom 30. Januar 1999 – 21. Oktober 1999 begrenzt, ein malerisches Streitgespräch über ihre ganz persönliche Wiedervereinigungsgeschichte. Mit dem Atelier als Gesprächsraum, den Pinseln als Sprachrohre und der gemeinsamen Leinwand als Protokoll.
Die Methode dazu entlehnten sie der Kunsttherapie: Beim dialogischen oder interaktiven Malen arbeiten KlientIn und TherapeutIn abwechselnd ohne zu sprechen an einem gemeinsamen Bild. Im anschließenden Gespräch werden zugrundeliegende seelische Problematiken besprochen und Lösungswege herausgearbeitet.
Für ihr Projekt verabredeten die beiden Künstlerinnen, über ein jeweils vorab bestimmtes Thema abwechselnd zu malen. Während der Arbeit wurde geschwiegen, diejenige, die nicht malte, schrieb ihre Gedanken zum Thema und zum Prozess nieder. War das Bild fertig, erfolgte ein Austausch zunächst im Gespräch, dann immer öfter in (damals noch) Faxen. Das Ergebnis dieser Arbeit zeigten sie dann zunächst in Ost (Chemnitz) und West (Nürnberg) und schließlich in der neuen alten Hauptstadt Berlin.
Während dieser Ausstellungszeit malten sie zunächst weitere Bilder als Demonstration für die jeweilige Pressevorstellung. Nachdem sich beide einige Jahre ihren eigenen Projekten, Rosi einem Jugendhilfeprojekt und Evi ihrem Wunderhof, gewidmet hatten, beschlossen sie, ihre frühere Zusammenarbeit wieder aufzunehmen und führten sie in sporadischen Abständen bis heute weiter. Neben den Bildern entstanden durch einen regen Austausch in Briefen und E-Mails über Bildinhalte und neue Entwicklungen im Leben der beiden Künstlerinnen auch zahlreiche schriftliche Dokumente.
Als Beitrag zur 30-jährigen Wiedervereinigung wünschten sich Evi Steiner-Böhm und Roswitha Braun-Sauerstein, dass alle Bilder, Faxe und E-Mails aus ihrer mittlerweile 20-jährigen Zusammenarbeit in irgendeiner Form der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden sollten. So entstand die Idee, ein Buch daraus zu machen. Der Wunderhof Verlag bot die beste Voraussetzung für die Realisierung dieses Wunschprojektes. Wir wünschen diesem ganz besonderen Buch viel Erfolg!
Protokoll der 2. Sitzung am 12.02.1999
Für diese Sitzung hatte Evi das Thema Heimat vorgeschlagen und bereits eine große Leinwand schwarz grundiert. Bevor wir zu malen anfingen, erzählten wir uns gegenseitig, wie der jeweilig andere Teil Deutschlands sich in unsere Lebensläufe einfügt. Wir stellten beide fest, dass für uns (Evi ist 1956, Rosi 1961 geboren) die damaligen Gegebenheiten einfach unveränderliche Tatsachen waren.
Aufzeichungen:
Rosi: Gedanken zum Bild Ost/West, was für Gefühle haben wir, wenn uns die Teilung Deutschlands vor die Füße gelegt wird – eigentlich keine. Hatte ich Heimatgefühle, die das Vermächtnis der Teilung in Wehmut verfließen lassen? Eigentlich nie. Was ist Heimat und wo ist sie? eine Stadt, eine Örtlichkeit, ein Land oder auch Zeitabschnitt eines Aufenthaltes?
Evi: Ich habe keine klare Vorstellung wie das Bild werden soll, aber allein schon die schwarze Farbe macht mich traurig, und ich denke an die vielen Familien, die durch die Teilung auseinandergerissen wurden – daran habe ich früher nie gedacht. Mir fallen jetzt die Fernsehbilder ein, als die Mauer gebaut wurde. Willy Brandt – alles ist schwarz-weiß.